Zur Lage der Meinungsfreiheit im Iran
Fortsetzung
Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist die Initiatorin der Kampagne „Eine Millionen Unterschriften“. Mit dieser Initiative wollte sie alle Gesetze verändern, die die iranischen Frauen diskriminieren.

Seit 16 Jahren ist sie mit kurzzeitigen Unterbrechungen im Gefängnis.
Und jedes Mal, wenn sie kurzfristig freigelassen wurde, zeigte sie, dass sie sich durch willkürliche Haftstrafen nicht einschüchtern lässt, sie wurde wieder bei irgendeinem Protest aktiv. Bahareh ist für ihren Mut ebenso bekannt, wie für ihren Scharfsinn. Zuletzt beteiligte sie sich im April 2014 an Studentenproteste gegen den Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine durch die Revolutionsgarden. 300 Menschen, hauptsächlich iranische Studenten und Akademiker, die im Ausland lebten, waren dabei ums Leben gekommen.
Aus dem Gefängnis meldet sich Bahareh regelmäßig mit literarischen Essays, Gesellschaftsanalysen und genauen Beschreibungen der Verhältnisse in den iranischen Gefängnissen.
Während ihrer Haft übersetzte sie Dave Eggers Buch „The Circle“ und David Mitchells „Cloud Atlas“ auf Papierstücke, die sie gerade in ihrer Zelle finden konnte.

Aus dem Gefängnis meldet sich Bahareh regelmäßig mit literarischen Essays, Gesellschaftsanalysen und genauen Beschreibungen der Verhältnisse in den iranischen Gefängnissen.
Während ihrer Haft übersetzte sie Dave Eggers Buch „The Circle“ und David Mitchells „Cloud Atlas“ auf Papierstücke, die sie gerade in ihrer Zelle finden konnte.
Aus dem Gefängnis meldete sich Bahareh am 20. März 2023 mit einer Gratulation zum neuen persischen Jahr und blickte zurück auf das vergangene, als ein Wendejahr der iranischen Geschichte.
Proteste gegen die Willkür der Herrschenden habe es in den letzten 40 Jahren zuhauf gegeben, schreibt sie und bezeichnet das neue Jahr als ein Schicksalsjahr. Mit dem bewundernswerten Frauenaufstand, der das Land nach der Ermordung der kurdischen Studentin Mahsa Amini erfasste, beginne der Anfang vom Ende der Islamischen Republik, so Bahareh weiter.
Durch diese größte Machtkrise der Herrschenden, erfuhr auch die breite Öffentlichkeit im Ausland, dass es einen anderen Iran gäbe als jenen, den man bis dahin kannte, so Bahareh weiter.
Tatsächlich wurde die Weltöffentlichkeit mit Bewunderung Zeuge, wie eine junge, vor allem weibliche Generation mit dem Ruf „Leben, Frau, Freiheit“, sich mutig und kreativ den Schikanen einer brutalen, religiösen Macht widersetzt. Hunderte wurden getötet, Zehntausende verhaftet, mindestens 580 Demonstranten verloren nach einem Bericht der New York Times ihr Augenlicht.
Die Betroffenen berichteten den Reportern, Sicherheitskräfte hätten absichtlich auf ihre Augen gezielt.
Eine von ihnen ist die Allgemein-Medizinerin Elaheh Tawakkolian.
Nach ihrem Dienstende im Krankenhaus geht sie an einem Novembertag in Teheran auf die Straße, schließt sich den Demonstranten an, die vermummten Truppen zielen mit Schrotflinten auf die Oberkörper der Protestierenden.

Elaheh verliert ihr linkes Auge. Nach fast vier Monaten lässt sie sich am 23. März 2023 in einem Mailänder Krankenhaus die Kugel aus ihrem Auge herausoperieren. Vor und nach der Operation sendet sie auf ihrem Instragram-Account Fotos von sich, mit der Bemerkung, sie werde die herausoperierte Kugel als einen ewigen Beweis für die Feindseligkeit des schiitischen Klerus gegen die Frauen aufbewahren.
Nach monatelanger massiver Repression verkündete das Regime, zwanzigtausend Gefangene der letzten Unruhen seien von Ali Khamenei begnadigt worden. Doch diese Meldung erwies sich später als reine Propaganda.
Der beste Beweis ist das Schicksal zweier Journalistinnen, die seit dem Tod von Mahsa Amini am 20. September inhaftiert sind.

Elahe Mohammadi war die erste Journalistin, die nach der Einlieferung von Mahsa Amini bei ihr im Krankenhaus war. Sie machte das berühmte Foto von der sterbenden jungen Frau, die von der Sittenpolizei ermordet worden war. Ihre Kollegin Nilufar Hamedi hatte über Mahsas bewegende Beerdigung in ihrer Heimatstadt berichtet. Beide sitzen seitdem ohne Anklage in Einzelhaft, niemand durfte sie bis jetzt besuchen, auf Webseiten, die den Revolutionsgarden nahestehen, wird von Spionagetätigkeit und ausländischen Aufträgen schwadroniert.
Diese Journalistinnen waren im Auftrag ihrer Redaktionen unterwegs.
Konsequenzen einer Unterschrift

Am 24. März meldeten die iranischen Medien, Fatemeh Sepehri sei zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Fatemehs Lebensgeschichte liest sich wie ein Lehrbuch über die Islamische Republik.
Sie kommt 1964 in Mashhad in einer traditionellen, armen Familie zur Welt: Fatemeh, die niemals gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen hat, konnte aufgrund ihrer familiären Verhältnisse nicht studieren. Sie ist eine Selfmadefrau: Im Alter von 40 Jahren bestand sie die Uni-Aufnahmeprüfung und erlangte einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft an der Ferdowsi-Universität in Mashhad.
Mit ihrem Bruder Mohammad Hossein gehört sie zu den Unterzeichnern einer Erklärung von 14 politischen Aktivistinnen und Aktivisten, die den Rücktritt von Ali Khamenei von seinem Posten als Oberster Führer der Islamischen Republik fordern. Später tritt sie offen für die Abschaffung der Islamischen Republik auf und fordert die Errichtung eines demokratisch-säkularen Staats.
Fatemeh trat in ihren Interviews vor ihrer Verhaftung immer mit Tschador auf, zeigte nie ihre Haare. Das hat ihr nicht genutzt. Weitere 18 Jahre ihres Lebens wird sie wegen ihrer Unterschrift und ihrer Beharrlichkeit im Gefängnis verbringen müssen.

Es waren nur einige Beispiele von Tausenden. Wollte man alle Schicksale jener Opfer beschreiben, die in der 40-jährigen Geschichte der Islamischen Republik gefoltert, ermordet worden sind oder ihre besten Lebensjahre in den dunklen Verliesen verbringen mussten, entstünden mit Sicherheit dicke Wälzer.
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