Vor 90 Jah­ren: Die Bücher­ver­bren­nung am 10. Mai 1933

Fort­set­zung

Der "Scheiterhaufen" - Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933
Der “Schei­ter­hau­fen” — Bücher­ver­bren­nung in Ber­lin am 10. Mai 1933

Dann ist es aus. Ich bin nicht dabei. Nicht gefähr­lich genug, nicht „berühmt“ genug! Ich werde auf kal­tem Wege abge­würgt. Nicht durch die läu­ternde Flamme. Ich weiß nicht, ob ich erleich­tert sein soll. Das andere wäre wenigs­tens eine klare Lösung gewesen.

Wir gehen hin­aus in die warme, düf­te­schwere Nacht. Ein paar Schritte, dann sind wir im Park. Weit deh­nen sich die Wie­sen im mil­chi­gen Licht der Nacht. Schwei­gend gehen wir, an Bän­ken vor­bei, wo Pär­chen umschlun­gen in der lin­den Mai­n­acht sit­zen, tie­fer in den Wald hin­ein, ins Dunkel.

Wir wis­sen, wir haben eben etwas sehr Schwe­res erlebt, etwas End­gül­ti­ges: die Unan­tast­bar­keit des freien mensch­li­chen Gedan­kens ist auf­ge­ho­ben. Die Tat­sa­che die­ser Bücher­ver­bren­nung ist etwas Irre­pa­ra­bles. Es ist Schande und Elend. Es ist Kapi­tu­la­tion und Auf­lö­sung. Es ist Schei­dung des neuen Deutsch­lands von der gesit­te­ten Welt. [ …. ]

Wir sit­zen auf einer Bank tief im Wald. Dun­kel um uns, Stille. Nur das ferne Brau­sen der Stadt. Fern wölbt sich der rote Licht­bo­gen über der Gegend des Haupt­bahn­hofs, als brenne auch dort ein rie­si­ger Scheiterhaufen.

“Wir müs­sen weg …”, sagt M. leise, als spüre er meine Gedanken.” …

Aus: Erich Eber­mayer “Denn heute gehört uns Deutsch­land … “, zitiert nach: “Dort wo man Bücher ver­brennt”, hrsg. von Klaus Schöff­ling, Frank­furt 1983, S. 57 — 60

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Doch zugleich soll nicht ver­ges­sen, dass es auch 88 deut­sche Schrift­stel­ler gab, die im Okto­ber 1933 per­sön­lich ein sog. “Treue­ge­löb­nis” für den dama­li­gen Reichs­kanz­ler Adolf Hit­ler unterschrieben.

Das “Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft” Aus: Frank­fur­ter Zei­tung vom 26. Okt. 1933 mit Rand­no­ti­zen von Harry Graf Kessler
Das “Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft” Aus: Frank­fur­ter Zei­tung vom 26. Okt. 1933 mit Rand­no­ti­zen von Harry Graf Kessler

Dazu gehör­ten zum Bei­spiel u.a. auch Gott­fried Benn, Bor­ries von Münch­hau­sen oder auch Ina Seidel.

Die­ses “Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft” lau­tet wie folgt:

„Friede, Arbeit, Ehre und Frei­heit sind die hei­ligs­ten Güter jeder Nation und die Vor­aus­set­zung eines auf­rich­ti­gen Zusam­men­le­bens der Völ­ker unter­ein­an­der. Das Bewusst­sein der Kraft und der wie­der­ge­won­ne­nen Ein­heit, unser auf­rich­ti­ger Wille, dem inne­ren und äuße­ren Frie­den vor­be­halt­los zu die­nen, die tiefe Über­zeu­gung von unse­ren Auf­ga­ben zum Wie­der­auf­bau des Rei­ches und unsere Ent­schlos­sen­heit, nichts zu tun, was nicht mit unse­rer und des Vater­lan­des Ehre ver­ein­bar ist, ver­an­las­sen uns, in die­ser erns­ten Stunde, vor Ihnen, Herr Reichs­kanz­ler, das Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft fei­er­lichst abzulegen.“

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Klaus Mann rea­gierte dar­auf empört und schrieb 1933 den fol­gen­den Text:



88 Am Pranger”

Sie haben sich selbst an den Pran­ger gestellt; acht­und­ach­zig deut­sche Schrft­stel­ler, dar­un­ter sol­che, die wir der wirk­li­chen Lite­ra­tur zuzu­rech­nen gewohnt waren. Sie legen vorm Herrn Reich­kanz­ler das „Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft“ ab …

Klaus Mann (1906 — 1949), eine Aufnahme von 1933 in Frankreich
Klaus Mann (1906 — 1949), eine Auf­nahme von 1933 in Frankreich

Sie wol­len nichts tun, erklä­ren die Acht­und­ach­zig, „was nicht mit unse­rer und des Vater­lands Ehre zu ver­ei­nen ist“, tun es aber, indem sie vor aller Welt lügen, behaup­ten, dass sie den Kanz­ler für fried­lie­bend hal­ten und sich für die „wie­der­ge­won­nene Einig­keit der Nation“ bei ihm bedan­ken. [ … ] Die sich hier selbst ange­pran­gert haben, sol­len nie wie­der in Frage kom­men. Sie seien erle­digt! Denn man erzähle uns doch nach­her nicht, sol­che Schritte seien „unter Zwang“ erfolgt. Wenn Hit­ler und sein Kul­tus­mi­nis­ter keine Macht mehr haben, heißt es dann plötz­lich, SA-Leute seien mit vor­ge­hal­te­nem Revol­ver in die Woh­nung von so einem Otto Flake ein­ge­drun­gen und hät­ten geschrien: „Unter­schreibe!“ Unsinn, so war es doch gar nicht. Da hat sich einer was aus­ge­dacht, viel­leicht der Hanns Johst oder auch nur jemand, der Carl Magnus Weh­ner heißt, ich weiß zufäl­lig, wer das ist, ein schwatz­haf­ter Schurke. Dann ist ein Rund­schrei­ben ergangen.

Otto Flake hat es mit der Mor­gen­post bekom­men. Einen Augen­blick mag er gezö­gert haben: soll ich, soll ich nicht? Man kann ja nicht wis­sen, wie lange die Geschichte noch dau­ert. Ach was, eine Zeit­lang dau­erts gewiss noch. Man kann beim Rund­funk jetzt so viel ver­die­nen. Nach­her ver­gisst man es auch wie­der, dass wir jetzt mit­ge­macht haben. Otto Flake! Als man neun­zehn Jahre alt war, mach­ten einem seine kul­tur­po­li­ti­schen Essays Ein­druck, sie schie­nen von einer tröst­li­chen Klar­heit. „Zum guten Euro­päer“ hie­ßen sie. Ein fei­ner Euro­pä­ser! Weg mit ihm!

Otto Flake zu Besuch bei Thomas Mann, 1929
Otto Flake zu Besuch bei Tho­mas Mann, 1929

Mit dem ers­ten Teil ihrer Berech­nung, die Rund­funk­ho­no­rare betref­fend, mögen die Herr­schaf­ten ja recht behal­ten haben; nicht aber mit dem zwei­ten: dass wir ver­ges­sen werden. ….”

Klaus Manns dama­lige Empö­rung über Otto Flake ist sehr ver­ständ­lich. Es geht dabei zum einen um des­sen frü­here Schrif­ten, zum ande­ren kannte er ihn auch per­sön­lich gut. Flake war ein Freund der Fami­lie Mann. Und die­ses “Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft” wurde von der Sek­tion Dicht­kunst der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Künste initi­iert, die 1926 unter Mit­wir­kung sei­nes Vaters, Tho­mas Mann, gegrün­det wor­den war. Des­sen Bru­der, Hein­rich Mann, war Anfang 1933 Prä­si­dent die­ser Sek­tion, wurde aber bereits Mitte Februar, gerade mal zwei Wochen nach der Macht­über­nahme der Natio­nal­so­zia­lis­ten, zum Rück­tritt gezwungen.

Nach heu­ti­gem For­schungs­stand unter­zeich­nete Otto Flake das “Treue­ge­löb­nis” aller­dings auf Bit­ten sei­nes jüdi­schen Ver­le­gers Samuel Fischer, der 1933 noch hoffte, das Ver­lags­haus ret­ten und sich irgend­wie mit den neuen Macht­ha­bern arran­gie­ren zu kön­nen. Dies war damals gerade unter älte­ren deut­schen Juden keine ganz unge­wöhn­li­che Hal­tung. Flake, ein im Grunde kos­mo­po­li­tisch ein­ge­stell­ter Autor, blieb die NS-Zeit über in Deutsch­land. Immer wie­der war er zahl­rei­cher Kri­tik durch ver­schie­dene NS-Behörden aus­ge­setzt. Seine Werke wur­den tot­ge­schwie­gen; er bezeich­nete sei­nen dama­li­gen Zustand schließ­lich als innere Emigration.

Der ein­gangs zitierte Mit­un­ter­zeich­ner Gott­fried Benn war dem­ge­gen­über 1933 aus­ge­spro­chen aktiv im Hin­blick auf die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche “Gleich­schal­tung “der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Künste, über­nahm kom­mis­sa­risch zunächst sogar das Prä­si­den­ten­amt von Hein­rich Mann und for­derte in zahl­rei­chen Radio­an­spra­chen mehr­fach von deut­schen Schrift­stel­lern und Intel­lek­tu­el­len die bedin­gungs­lose Unter­ord­nung unter die NS-Regierung.

Im Laufe der fol­gen­den zwei Jahre wurde aller­dings deut­lich, dass seine expres­sio­nis­ti­sche Lyrik von den NS-Kulturverantwortlichen kei­nes­wegs geschätzt, son­dern als zu indi­vi­dua­lis­tisch und zum Teil sogar als unsitt­lich abge­lehnt wurde. Benns letzte Publi­ka­tion in der NS-Zeit erschien 1936. Auch sie stieß erneut auf hef­tige Kritik.

Aus: Klaus Mann “Das Neue Tage-Buch”, Heft 19/1933, zitiert nach: „Dort wo man Bücher ver­brennt“, hrsg. von Klaus Schöff­ling, Frank­furt 1983, S. 203/204

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Erich Mühsam (1878 – 1934) war 1918 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt. In der Weimarer Republik war er ein bekannter linker Publizist und Antimilitarist. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde er sofort von der SA verhaftet und nach 16-monatiger sog. „Schutzhaft“ im Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet.
Erich Müh­sam (1878 – 1934) war 1918 maß­geb­lich an der Aus­ru­fung der Münch­ner Räte­re­pu­blik betei­ligt. In der Wei­ma­rer Repu­blik war er ein bekann­ter lin­ker Publi­zist und Anti­mi­li­ta­rist. Nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nahme wurde er sofort von der SA ver­haf­tet und nach 16-monatiger sog. „Schutz­haft“ im Juli 1934 im KZ Ora­ni­en­burg ermordet.

Erich Kästner (1899 – 1974) stand am Abend des 10. Mai 1933 neben dem Scheiterhaufen, auf dem  auch seine Bücher verbrannt werden und u.a. auch Reichspropagandaminister Goebbels wieder eine seiner hetzerischen Reden hielt. Dazu schrieb Kästner einige Jahre später: „Ich habe Gefährlicheres erlebt, Tödlicheres – aber Gemeineres nicht.“
Erich Käs­t­ner (1899 – 1974) stand am Abend des 10. Mai 1933 neben dem Schei­ter­hau­fen, auf dem auch seine Bücher ver­brannt wer­den und u.a. auch Reichs­pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Goeb­bels wie­der eine sei­ner het­ze­ri­schen Reden hielt. Dazu schrieb Käs­t­ner einige Jahre spä­ter: „Ich habe Gefähr­li­che­res erlebt, Töd­li­che­res – aber Gemei­ne­res nicht.“

1933: Verbrennung von Akten und Schriftstücken vor dem Leipziger Volkshaus, ein selbst erbautes Arbeitervereinshaus.
Leip­zig 1933; hier: Die Ver­bren­nung von Akten und Schrift­stü­cken vor dem Leip­zi­ger Volks­haus (ehem. Arbeitervereinshaus).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Mann (1871 – 1950) war ab 1930 Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde der berühmte antinationalistische Autor sofort amtsenthoben und ausgeschlossen. Mann emigrierte daraufhin zunächst nach Frankreich, später in die USA. Bereits im August 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Hein­rich Mann (1871 – 1950) war ab 1930 Prä­si­dent der Sek­tion für Dicht­kunst der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Künste. Nach der Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten 1933 wurde der berühmte anti­na­tio­na­lis­ti­sche Autor sofort amts­ent­ho­ben und aus­ge­schlos­sen. Mann emi­grierte dar­auf­hin zunächst nach Frank­reich, spä­ter in die USA. Bereits im August 1933 wurde ihm die deut­sche Staats­bür­ger­schaft aberkannt.

 

Samuel Fischer (1859 – 1934) gründete 1886 in Berlin den S. Fischer Verlag, neben Ullstein war dies damals der bedeutendste deutsche Verlag; er verlegte u.a. Hermann Hesse, Tolstoi, Dostojewski, Thomas Mann u.v.a.m. 1933 beschlagnahmte die NS-Regierung viele seiner „unerwünschten“ Druckerzeugnisse. Der bereits 74-Jährige ungarisch-jüdischer Herkunft konnte die Gefahren, die nun seiner Familie und seinem Verlag drohten, nicht mehr in vollem Umfang wahrnehmen. Er versuchte in irgendeiner Weise Arrangements zu finden. S. Fischer verstarb m Oktober 1934.
Samuel Fischer (1859 – 1934) grün­dete 1886 in Ber­lin den S. Fischer Ver­lag, neben Ull­stein war dies damals der bedeu­tendste deut­sche Ver­lag; er ver­legte u.a. Her­mann Hesse, Tol­stoi, Dos­t­o­jew­ski, Tho­mas Mann u.v.a.m. 1933 beschlag­nahmte die NS-Regierung viele sei­ner „uner­wünsch­ten“ Dru­cker­zeug­nisse. Der bereits 74-Jährige ungarisch-jüdischer Her­kunft konnte die Gefah­ren, die nun sei­ner Fami­lie und sei­nem Ver­lag droh­ten, nicht mehr in vol­lem Umfang wahr­neh­men. Er ver­suchte in irgend­ei­ner Weise Arran­ge­ments zu fin­den. S. Fischer ver­starb m Okto­ber 1934.