Heute steht eine ein­zelne kleine per­sön­li­che Begeg­nung auf den Phil­ip­pi­nen im Zentrum

Es geht um die Zen­sur des gespro­che­nen Wortes

Wie stark poli­ti­sche Repres­sion anwe­send sein kann bis in die ent­le­gens­ten Gegen­den eines staat­li­chen Ter­ri­to­ri­ums, das erfahre ich immer wie­der in einem Ent­wick­lungs­hil­fe­pro­jekt in Japan. Dort wer­den „rural lea­ders“ aus ent­le­ge­nen Gebie­ten von afri­ka­ni­schen und süd­asia­ti­schen Län­dern einige Monate lang aus­ge­bil­det in orga­ni­scher Land­wirt­schaft und in Gemeinwesenarbeit.

Der Ort ist unge­wöhn­lich in dem Sinn, dass hier nur ver­trau­ens­wür­dige Men­schen ver­sam­melt sind, aus­schließ­lich Men­schen mit den bes­ten Absich­ten, des­halb wur­den sie für die­sen Auf­ent­halt aus­ge­wählt. Ein siche­rer Raum.

Und des­halb erstaunte es mich (Donata Elschen­broich) anfangs, wie sel­ten unsere Teil­neh­mer über die poli­ti­schen Ver­hält­nisse in ihren Hei­mat­län­dern und Regio­nen spra­chen. War es Zurück­hal­tung gegen­über mir als der wei­ßen Volun­teer? Aber auch unter­ein­an­der war es schein­bar „kein Thema“.

Gilt allen die erfah­rene Will­kür und Repres­sion als so selbstverständlich?  

Oder ist Vor­sicht zur Gewohn­heit geworden?  

Ein Bei­spiel will ich heute aus mei­nen Begeg­nun­gen in Japan:

Sam Thor — er war Pfar­rer und kam aus einer Wald­re­gion einer Insel auf den Phil­ip­pi­nen.

Sam war sehr, sehr schweigsam.

Ver­läss­lich anwe­send aber war er durch seine stets wache Auf­merk­sam­keit, und wort­los kom­pe­tent bei allen Arbei­ten. Wir ver­stän­dig­ten uns mit Bli­cken. Irgend­wann erzählte er mir dann doch von den Land­kar­ten, die er mit den schrift­lo­sen Wald­be­woh­nern ange­fer­tigt hatte. Aus den Wäl­dern, „ihrem Super­markt“ wie er sagte, von dem sie leb­ten, wie auch von den fisch­rei­chen Gewäs­sern, wur­den sie durch Land­nah­men und Rodun­gen Stück um Stück ver­trie­ben gegen mini­male mone­täre Ent­schä­di­gun­gen, die sie in ihrem Wert nicht ein­schät­zen konn­ten. Den Kampf der analpha­be­ti­schen Wald­be­woh­ner hatte er unter­stützt indem er mit ihnen For­men des Kar­to­gra­phie­rens ent­wi­ckelte. Mit­hilfe von Stei­nen, Pflan­zen und Zeich­nun­gen bau­ten sie plas­ti­sche Modelle ihrer Region.

Irgend­wann wurde er vom phil­ip­pi­ni­schen Mili­tär als Rädels­füh­rer festgenommen.

Ein Jahr Gefangenschaft.

Frei­ge­las­sen unter der Bedin­gung, dass er nie­mals spre­chen werde über das, was er im Poli­zei­ge­fäng­nis erlebt und gese­hen hatte.

Sam blieb bis zum Ende des neun­mo­na­ti­gen Auf­ent­halts der Stillste unter uns.

War er gebrochen?

Nein, unver­brüch­lich.

Sam.

——-

Was steckt in die­ser Geschichte?

„Wir haben Kokos­pal­men und kleine Reis­fel­der gepflanzt, uns von den Früch­ten des Wal­des ernährt, aus den Bam­bus­stau­den die Wände unse­rer Häu­ser gefloch­ten. Doch dann kamen die Fir­men, um hier Plan­ta­gen aus Ölpal­men anzu­le­gen; dafür wur­den Bäume gero­det, unser Land und unsere Fel­der zer­stört. Nie­mand hat uns gefragt, ob wir ein­ver­stan­den sind – die Regie­rung und die Fir­men tre­ten unsere Rechte mit Füßen“, so beschreibt es z. B. der phil­ip­pi­ni­sche Bauer Panglima Kalib.

Oder das Bei­spiel des Jour­na­lis­ten Gerry Ortega, der auf offe­ner Straße ermor­det wurde:

Die Orga­ni­sa­tion “Ret­tet den Regen­wald” schreibt 2014 über ihn: „Gerry Ortega hat für die Bewah­rung sei­ner Hei­mat gekämpft – doch er konnte den Kampf nicht mehr gewin­nen. Der Umwelt­schüt­zer und Radio-Journalist Gerry Ortega wurde erschos­sen, als er am Mor­gen des 24. Januar sei­nen Radio-Sender DWAR Pala­wan ver­ließ. Seine Weg­ge­fähr­ten von der loka­len Umwelt­schutz– und Men­sch­rechts­or­ga­ni­sa­tion ALDAW haben kei­nen Zwei­fel: Er wurde ermor­det, weil er öffent­lich und immer wie­der seine Stimme erho­ben hat gegen die Berg­bau­pläne der Regie­rung, die die geschütz­ten Regen­wäl­der der Insel Pala­wan und die Lebens­quelle der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung zerstören.”

In der eng­li­schen Ver­sion die­ser Home­page heißt es dar­über hin­aus: „Es ist eine Schande, dass gerade die enga­gier­tes­ten und patrio­ti­schen Phil­ip­pi­nos, die für das Wohl­er­ge­hen und eine nach­hal­tige Zukunft der gan­zen Nation kämp­fen, gewalt­sam besei­tigt werden …”

.

.

Dr. Gerry Ortega (1963 — 2011) setzte sich vehe­ment für eine nach­hal­tige Umwelt­po­li­tik ein und war zudem ein bekann­ter Menschenrechtsaktivist.

“Repor­ter ohne Gren­zen” erstellt jedes Jahr eine Rang­liste zur Mei­nungs­frei­heit in den ver­schie­de­nen Län­dern: Die Phil­ip­pi­nen san­ken 2021 bereits zum vier­ten Mal und lie­gen jetzt auf Platz 138 von 180.

Gerry Ortega war der 142. phil­ip­pi­ni­sche Jour­na­list, der seit 1986 ermor­det wurde.

Arbeit auf den Gemü­se­fel­dern des japa­ni­schen Entwicklungshilfeprojektes

 

Teil­neh­mer des Entwicklungshilfeprojektes

 

 

 

 

 

 

 

Die phil­ip­pi­ni­sche Jour­na­lis­tin Maria Ressa ist zur­zeit in Haft. Das PEN Zen­trum Deutsch­land for­dert ihre sofor­tige Frei­las­sung. Ressa ist eine der bekann­tes­ten Kri­ti­ke­rin­nen von Prä­si­dent Duterte. Die viel­fach mit Prei­sen aus­ge­zeich­nete Jour­na­lis­tin ist Mit­be­grün­de­rin und Chef­re­dak­teu­rin der Nach­rich­ten­web­site “Rapp­ler”, die für ihre inves­ti­ga­ti­ven Recher­chen bekannt ist, schreibt der PEN weiter.

 

Über die­sen Radio­sen­der berich­tete Ortega regel­mä­ßig über Umweltthemen.