Als junge unga­ri­sche Jüdin im Holocaust”

Margrit Geffert-Holl  begrüßt und leitet in die Thematik ein.
Mar­grit Geffert-Holl begrüßt und lei­tet in die The­ma­tik ein.

 

Das Leben der unga­ri­schen Jüdin The­rese Mül­ler, die ver­folgt, geschun­den und als Zwangs­ar­bei­te­rin unter ande­rem in der KZ-Außenstelle Wall­dorf 1944 miss­braucht wor­den war, jedoch über­lebte und trotz schwe­rer trau­ma­ti­scher Fol­gen sich nicht zer­bre­chen ließ, dies stand im Mit­tel­punkt einer unge­wöhn­li­chen Lesung im Mör­fel­der Museum. Dort stellte — bewusst am Vor­tag des Inter­na­tio­na­len Tags des Holo­caust – die Margit-Horváth-Stiftung das neue Buch „Als unga­ri­sche Jüdin im Holo­caust“ vor. Dar­aus las Klara Strompf, Auto­rin des Buchs „KZ Außen­la­ger Wall­dorf“, die zudem Mül­lers bit­tere Lebens­er­in­ne­run­gen auch vom Unga­ri­schen ins Deut­sche über­setzt hat (Lese­probe). Eröff­net hatte die Ver­an­stal­tung im Museum für die Stif­tung deren Vor­stands­mit­glied Mar­grit Geffert-Holl.

Nach­ge­zeich­net wurde der Lebens­weg einer Frau, die schuld­los in die Todes­müh­len des NS-Herrenwahns gera­ten war und dies als ein­zige von zwölf Fami­li­en­mit­glie­dern über­lebt hatte. Die Bru­ta­li­tät des dama­li­gen Gesche­hens machte Strompf mit Text­pas­sa­gen deut­lich, die das Leben The­rese Mül­lers von 1925 im unga­ri­schen Jász­be­rény bis zum Tod 2007 in Schwe­den nach­zeich­ne­ten. Schwer­punkte waren die NS-Jahre, die die junge Frau in Ausch­witz, Wall­dorf, Ravens­brück, Maut­hau­sen und Guns­kir­chen als ras­sisch Ver­folgte ver­brin­gen musste.

Die gesamte Dra­ma­tik mensch­li­chen Lei­dens bis zum für viele mör­de­ri­schen Ende, die grau­si­gen Aus­wahl­ver­fah­ren, die täg­li­chen Demü­ti­gun­gen und Ernied­ri­gun­gen, aber auch die weni­gen Licht­bli­cke von Mensch­lich­keit aus der deut­schen Umge­bung für die Opfer, über all dies berich­tete Klara Strompf anhand einer Aus­wahl von Tex­ten:  Die reich­ten von der anfäng­li­chen Hoff­nung, dass viel­leicht doch alle Ängste etwas über­trie­ben wären, bis zum erkennt­nis­rei­chen Tief­schlag der Emp­fin­dun­gen und Ein­drü­cke aus erdul­de­tem Lager­all­tag: „Hier stirbt einer nach dem ande­ren“. Der Geruch des Todes, einer Zeit, da Men­schen­le­ben manch­mal weni­ger als Läuse zähl­ten, unvor­stell­bare Grau­sam­kei­ten plötz­lich vor­stell– und erleb­bar wur­den, das lag bei der Vor­stel­lung  die­ses Buch in der Luft. Dies alles erlaubte kein gemüt­li­ches Zurück­leh­nen zu lite­ra­ri­schem Kul­tur­ge­nuss, son­dern for­derte die Zuhö­rer­schaft in posi­ti­vem Sinne zur vol­len Anteilnahme.

Im Publikum ist auch eine 10. Klasse der Bertha-von-Suttner-Schule.
Im Publi­kum ist auch eine 10. Klasse der Bertha-von-Suttner-Schule.

Bei der Lesung der Margit-Horváth-Stiftung stan­den Sze­nen und Erleb­nisse aus dem Wall­dor­fer Außen­la­ger bei vie­len beson­ders im Mit­tel­punkt des Inter­es­ses. Mit jeder ein­zel­nen Schil­de­rung war es förm­lich zum Grei­fen nahe, dass in der direk­ten Nach­bar­schaft und nicht nur in fer­nen Ver­nich­tungs­la­gern, Men­schen erbar­mungs­los geschun­den, durch Zwangs­ar­beit ums Leben gebracht oder auch schlicht zu Tode geprü­gelt wor­den waren. The­rese Mül­ler erin­nert sich an den Lager­all­tag in Wall­dorf: „Täg­lich hören wir Schreie von der rech­ten Seite des Hofes, wo sich irgendwo um die Ecke unter­ir­disch ein Raum befin­det. Dort, wo das eiserne Git­ter über der Öff­nung liegt. Diese Schreie sind schrill und  furcht­bar. Sie wüh­len mich immer sehr auf.“  

Klara Strompf, 1949 in Jász­be­rény gebo­ren, lernte The­rese Mül­ler im Novem­ber 2000 ken­nen. Sie wur­den Freun­din­nen, und  die damals in Schwe­den mit ihrer Fami­lie als Ärz­tin lebende The­rese Mül­ler über­gab Strompf das in Unga­risch ver­fasste Manu­skript ihrer Lebens­er­in­ne­run­gen. Die­ser große Ver­trau­ens­be­weis war ver­bun­den mit der Bitte, alles erst nach The­rese Mül­lers Tod (2007) zu ver­öf­fent­li­chen. Dem war so, und Klara Strompf über­setzte gekonnt und ein­fühl­sam den Ori­gi­nal­text ins Deut­sche. Jetzt wurde das Buch her­aus­ge­ge­ben von Prof. Dr. Erhard Roy Wiehn und vom Hartung-Gorre-Verlag auf­ge­legt. The­rese Mül­lers Erin­ne­run­gen gehö­ren laut Wiehn bewusst in seine „Edi­tion Schoáh & Judaica“, die beein­dru­ckende Berichte von Opfern — deren Lei­den und Dul­den – mit­hin Ein­zel­schick­sale neben den gro­ßen Wer­ken zum Thema Holo­caust auf­greift und darstellt.

 

Am Ende ihres Buches schreibt The­rese Mül­ler:

„Als ich in mei­nen Gedan­ken jetzt die vie­len lan­gen Jahre Revue pas­sie­ren lasse, komme ich zu der Frage: Was ist es eigent­lich, was ich suche und wovon ich denke, dass es in mei­nem Leben wich­tig ist?

Ja, es ist das ein­fa­che, all­täg­li­che Leben, mit vie­len klei­nen Freu­den. Ein ein­fa­cher Wochen­tag – ohne Ängste.“

 

Für eine Leseprobe klicken Sie bitte auf das Titelbild.
Für eine Lese­probe kli­cken Sie bitte auf das Titelbild.

 

Infos zum Buch

Als junge unga­ri­sche Jüdin im Holo­caust” Auto­bio­gra­phie von The­rese Mül­ler, aus dem Unga­ri­schen über­setzt von Klara Strompf.

Neu­er­schei­nung Januar 2014.

ISBN 987–3-86628–478-4 & 3–86628-478–0

Das Buch (161 S.) kos­tet 18 €; erhält­lich im Museum Mör­fel­den erhält­lich, im Buch­han­del oder auch direkt bei der Ver­lags­buch­hand­lung Hartung-Gorre,

Her­aus­ge­ber: Pro­fes­sor Dr. Erhard Roy Wiehn, em. Pro­fes­sor im Fach­be­reich Geschichte und Sozio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Kon­stanz. Das Buch erscheint in der Reihe “Edi­tion Schoáh & Judaica/Jewish Stu­dies” www.uni-konstanz.de/soziologie/judaica .

Klara Strompf liest die Autobiographie von Therese Müller, die sie selbst aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzt hatte.
Klara Strompf liest die Auto­bio­gra­phie von The­rese Müller.

 

09 Am Büchertisch des Verlages
Am Bücher­tisch des Hartung-Gorre-Verlages

 

11 Am Büchertisch der Stiftung
Am Bücher­tisch der Margit-Horváth-Stiftung

 

Klara Strompf; stehend v.li: Margrit Geffert-Holl (Stiftung), Prof. E. Roy Wiehn (Herausgeber), Bernhard Brehl und Cornelia Rühlig (beide Stiftung).
Klara Strompf; ste­hend v.li: Mar­grit Geffert-Holl (Stif­tung), Prof. E. Roy Wiehn (Her­aus­ge­ber), Bern­hard Brehl und Cor­ne­lia Rüh­lig (beide Stiftung).

 

Die Schulklasse, die an der Lesung teilnahm, hatte am nächsten Tag noch eine Führung vor Ort im Gelände der KZ Außenstelle Walldorf. Cornelia Rühlig erklärt den Küchenkeller, aus dem die Schreie der geprügelten Frauen kamen, die Therese Müller in ihrem Buch beschrieb.
Die Schul­klasse, die an der Lesung teil­nahm, hatte am Tag dar­auf noch eine Füh­rung im Gelände der KZ Außen­stelle Wall­dorf. Cor­ne­lia Rüh­lig erklärt den Küchen­kel­ler, aus dem die Schreie der geprü­gel­ten Frauen kamen, die The­rese Mül­ler in ihrem Buch beschrieb.

 

Die Ausgrabungsfläche im Bereich des ehemaligen Kellers unter der Küchenbaracke.
Die Aus­gra­bungs­flä­che im Bereich des ehe­ma­li­gen Kel­lers unter der Küchenbaracke.

 

Die Enkelin (2.v.r.) von Therese Gordon besucht am 29. Juni 2014 den Historischen Lehrpfad
Die Enke­lin (2.v.r.) von The­rese Gor­don besucht am 29. Juni 2014 erst­mals den His­to­ri­schen Lehr­pfad — auch dies ist eine Folge der Neu­er­schei­nung des Buches in deut­scher Sprache.